Das kannst Du von einem blinden Golfer lernen

Stell Dir vor, Du stehst mit einem 9er Eisen in der Hand auf dem Fairway. Du bist auf der Jagd nach dem Birdie, das Du Dir so sehr wünschst. Doch vor Deinen Augen ist alles schwarz.
Das ist die Realität für den blinden Turniergolfer Ronald Boef. Wir haben mit seinem Trainer Adrian Morley darüber gesprochen, wie er seinem Schützling am besten helfen kann – und was andere von seinem beeindruckenden Schüler lernen können.
„Ronald ist sehr einfach zu unterrichten. Er hat einen fantastischen Humor, und ich ziehe ihn gerne auf und sage ihm, dass er wie ein Gefreiter ist. Wenn ich ihm sage, er solle springen, dann springt er ohne zu fragen. Vielleicht ist er aufgrund seiner Blindheit offen für alles, und es fällt ihm dadurch sehr leicht, etwas zu lernen.“

Adrian Morley selbst begann als Zehnjähriger mit dem Golfen. Seitdem lebt er in vielerlei Hinsicht für den Golfsport. Ganz zu Beginn hatte er die Ambition, ein erfolgreicher Turnierspieler zu werden. Er spielte Turniere in Europa und auch Asien, doch als die Erfolge ausblieben und seine Träume sich nicht erfüllten, begann Adrian sich dem zu widmen, was ihm am zweitwichtigsten war: zu unterrichten.
„Bereits 1987 ging ich in die USA, um an der Universität Golf zu spielen. Ich studierte an der Northwestern University, vor den Toren Chicagos. Zu jener Zeit überquerten nicht viele den großen Teich. Danach wurde ich Profi und spielte ein paar Jahre lang auf der Asien Tour. In Asien lernte ich auch Thomas Lloyd kennen, der als Teaching Professional in Deutschland arbeitete. Wir wurden gute Freunde, und ich ließ mich von ihm ausbilden.“
Mit guten Flugverbindungen war Deutschland auch eine perfekte Basis für das Turnierspiel, und bei einem dieser Turniere in Prag traf Adrian dann seine zukünftige Frau, die sich als Zugang in die Niederlande erwies, wo er heute lebt und unterrichtet.
„Seit 30 Jahren lebe und arbeite ich hier. Ich spielte gut, aber nicht gut genug, und als ich immer weniger spielte, wurden auch die Ergebnisse schlechter. Deshalb habe ich mich immer mehr auf das Unterrichten konzentrierte.“

Und auf diese Weise traf er dann Ronald Boef.
„Soweit wir wissen, ist Ronald der einzige blinde Turniergolfer auf der Welt, der blind geboren wurde. Ich bin mit ihm auf einer Reihe internationaler Turniere gewesen, und er ist definitiv der einzige, auf den ich gestoßen bin.“
„2018 rief mich sein Vater an und erzählte mir, dass sie einen Trainer suchten, und ich kannte Ronald, da er ziemlich häufig in den holländischen Golfzeitschriften auftauchte. Ich wusste sofort, dass das eine spannende und interessante Herausforderung werden würde.“
„Ich bin Linkshandspieler, und um die Herausforderung besser zu verstehen, habe ich versucht, Bälle mit verbundenen Augen mit rechts zu schlagen. Aber das ist natürlich nicht das Gleiche. Ich wusste ungefähr, wo der Ball lag, und ich weiß ja auch, wie ein Golfplatz aussieht. Ronald hingegen hat noch nie Gras oder einen Golfball gesehen.“

Trotz der Herausforderungen funktioniert Golf für Ronald gut, der viel Spaß auf dem Platz hat.
„Er kann mit dem Driver ungefähr 140 Meter weit schlagen. Manchmal ist es schwierig, den tiefsten Punkt des Schwungs zu finden und wo der Schläger Ball und Boden treffen soll. Daher versuchen wir, Referenzpunkte zu schaffen, indem wir bewusst getoppte und fette Schläge machen und den Ball an der Ferse oder der Spitze treffen. Das schafft ein Bewusstsein und sorgt dafür, dass er weiß, wie sich die verschiedenen Schläge anfühlen, und sie entsprechend korrigieren kann.“
Unterschiedliche Neigungen des Geländes sind für Ronald ebenso eine Herausforderung wie hohes Gras oder Sand. Doch es gibt definitiv jede Menge Dinge, die andere Golfer von Ronalds Herangehensweise lernen können. Da er nichts sieht, muss er sich stattdessen auf seine anderen Sinne verlassen.
„Er erkennt den Geruch eines Wasserhindernisses und hört eine Fontäne. Doch wenn Wasser im Weg ist, sagen wir ihm das nicht. Hat er beispielsweise ein 9er Eisen in der Hand, muss er ja so oder so einen guten Schlag machen, egal ob da Wasser ist oder nicht“, sagt Adrian und meint abschließend:
„Oftmals hilft es nicht, mehr zu versuchen. Wenn Du Out-of-bounds oder Wasser im Spiel hast, dann beginnen viele eher daran zu denken als an die tatsächliche Aufgabe, den Ball ins Loch zu schlagen.“